Arbeitsplatzbezug in den IV-Therapien


Hintergrund:

Im Therapieprojekt der Interdisziplinären Versorgung von Arbeitnehmenden mit psychischen Beschwerden und Beeinträchtigungen (IV) ist der Arbeitsplatzbezug in der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) ein relevantes Ziel, um die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen sowie eine Chronifizierung der Symptomatik zu verhindern. Seit dem Projektstart finden regelmäßige IV-Therapien in der Psychotherapieambulanz (PTA) Braunschweig statt, die überwiegend von Psychotherapierenden in Ausbildung unter supervisorischer Anleitung durchgeführt werden. Der aktuelle Forschungsstand erscheint vielversprechend hinsichtlich der Wirksamkeit der arbeitsplatzbezogenen KVT als effektive und effiziente Behandlungsmethode. Bisher gibt es jedoch noch keine Ergebnisse hinsichtlich der praktischen Umsetzung dieser Fokussierung in den Therapien.

Ziel der vorliegenden Abschlussarbeit war es daher, die praktische Umsetzung des Arbeitsplatzbezugs in den IV-Therapien aus Sicht der Therapierenden zu fokussieren und zu evaluieren. Insbesondere ging es darum, ob und wie die Therapierenden den Arbeitsplatz in den IV-Therapien miteinbeziehen, welche arbeitsplatzbezogenen Interventionen sie einsetzen, wie sie die Relevanz der Thematik bewerten und welche Unterstützung sie sich in der Umsetzung des Arbeitsplatzbezugs wünschen.

Methode:

Um die Realisierung des Arbeitsplatzbezugs in den IV-Therapien zu untersuchen, wurde eine qualitative Studie durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgte mithilfe von Experteninterviews, die im Einzelsetting anhand eines Interviewleitfadens geführt wurden.

Die Stichprobe (N = 7) setzt sich zusammen aus Psychotherapierenden der PTA Braunschweig, die sich noch in ihrer Ausbildung befinden, im IV-Projekt tätig sind und bereits IV-Patient*innen behandelt haben. Die Therapierenden wurden als fachliche Expert*innen zur Beantwortung der Forschungsfragen angesehen, da ihr Praxis- und Handlungswissen hinsichtlich des Arbeitsplatzbezugs in den IV-Therapien im Fokus der Interviews stand. Die erhobenen Inhalte wurden transkribiert, anonymisiert und mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring zusammengefasst und entsprechend ausgewertet.

Ergebnisse:

Allen befragten Therapierenden war der arbeitsplatzbezogene Schwerpunkt in den IV-Therapien bewusst, die Art und Weise der Umsetzung war jedoch individuell abhängig von Patient*in und Therapeut*in. Es konnten typische Gründe für die Einbeziehung des Arbeitsplatzes (z.B. Probleme in der Interaktion am Arbeitsplatz, ungünstige Arbeitsbedingungen) und für die Entscheidung dagegen (z.B. höherer Bedarf in anderen Lebensbereichen, zu starke Symptombelastung) identifiziert werden, wie in Abbildung 1 dargestellt. Um den Arbeitsplatz zu fokussieren, wurden kognitiv-verhaltenstherapeutische Techniken mit Arbeitsplatzfokus, psychoedukative und arbeitsorientierte Techniken angewandt (siehe Abbildung 2). Der Arbeitsplatzbezug in der Psychotherapie wurde allgemein als sehr relevant bewertet, unabhängig vom IV-Projekt. Es wurden Unsicherheiten in der Umsetzung (z.B. Kenntnisse über arbeitsbezogene psychotherapeutische Techniken, Rehabilitationsthemen) beschrieben und Verbesserungsvorschläge für die Supervision, das IV-Projekt und die psychotherapeutische Ausbildung gesammelt.

Abbildung 1. Genannten Gründe für die Einbeziehung des Arbeitsplatzes in die IV-Therapie oder die aktive Entscheidung dagegen (N = Anzahl der Interviews, in denen die entsprechende Subkategorie vorkommt, maximal 7)

Abbildung 2. Genannte Interventionen, die in der IV-Therapie angewandt wurden, um den Arbeitsplatz mit einzubeziehen (N = Anzahl der Interviews, in denen die entsprechende Subkategorie vorkommt, maximal 7)

Schlussfolgerung:

Der arbeitsplatzbezogene Schwerpunkt ist den IV-Therapierenden durchaus bewusst. Um die bestehenden Unklarheiten bezüglich der Umsetzung zu überwinden und den Arbeitsplatzbezug zu optimieren, werden Implikationen für das IV-Projekt vorgeschlagen. In erster Linie dienen die qualitativen Ergebnisse der Evaluation und Verbesserung des IV-Projekts. Darauf basierend lassen sich auch Überlegungen zur Optimierung des Arbeitsplatzbezugs auf der Ebene der allgemeinen psychotherapeutischen Ausbildung und ambulanten Versorgung diskutieren. Die arbeitsbezogene KVT hat sich bisher als effektive und effiziente Behandlungsmethode erwiesen, um die Arbeitsfähigkeit bei Betroffenen aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen sowie eine Chronifizierung der Symptomatik zu verhindern. Bei Betrachtung der steigenden AU-Zahlen aufgrund psychischer Erkrankungen scheint dieser Aspekt der Behandlung von Relevanz zu sein. Es ist notwendig, den Arbeitsplatzbezug in der psychotherapeutischen Versorgung zu fördern und die Psychotherapierenden dafür zu sensibilisieren. Ein Fokus sollte auf dem interdisziplinären Austausch zwischen den Zuständigen am Arbeitsplatz und Behandelnden im Gesundheitssystem liegen. Reha- und teilhaberelevante Kenntnisse sowie arbeitsplatzbezogene Interventionen sollten bereits in der psychotherapeutischen Ausbildung vertieft werden.

Quelle:

Borchers, P. (2023). Eine qualitative Untersuchung des Arbeitsplatzbezugs im Rahmen der interdisziplinären Versorgung von Arbeitnehmenden mit psychischen Beschwerden. Technische Universität Braunschweig. Unveröffentlichte Masterarbeit.