Veränderungen von Symptomatiken in naturalistischen Therapien bei Körperdysmorpher Störung


Menschen, die an der körperdysmorphen Störung (KDS) erkrankt sind, beschäftigen sich übermäßig mit einem subjektiv wahrgenommenen Makel, der für Außenstehende nicht objektivierbar ist (Hartmann, Grocholewski & Buhlmann, 2019). Durch damit einhergehende zeitintensive, sich wiederholende Handlungen, Vermeidung von sozialen Interaktionen, selbstabwertenden, negativen Gedanken und Emotionen sind Betroffene in verschiedenen Lebensbereichen erheblich eingeschränkt (Hartmann et al., 2019; World Health Organisation, 2019; Kollei, Brunhoeber, Rauh, de Zwaan & Martin, 2012).

Eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung im ambulanten Einzelsetting können KDS-Patient*innen in der KDS-Spezialambulanz in Braunschweig erhalten (Grocholewski, n.d.). Dass die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), zu signifikanten Symptomreduktionen im Therapieverlauf führen kann, wurde bislang in verschiedenen randomisiert-kontrollierten Studien (z.B. Rosen, Reiter & Orosan, 1995; Veale, et al., 1996; Wilhelm, et al., 2014) Metaanalysen (z.B. Harrison, de la Cruz, Enander, Radua & Mataix-Cols, 2016) und ersten, unkontrollierten Pilotstudien (z.B. Wilhelm et al., 2011) gezeigt. Dennoch fehlen Befunde aus naturalistischen Settings im deutschsprachigen Raum.

Daher war es Ziel dieser Studie, die naturalistischen Therapien, die in der KDS-Spezialambulanz durchgeführt worden sind, hinsichtlich ihrer Symptomveränderungen zu evaluieren. Insgesamt wurden N = 26 KDS-Patient*innen in das Ein-Gruppen-Prä-Post-Design eingeschlossen, die zwischen dem 01.01.2015 und dem 30.06.2022 kognitiv-verhaltenstherapeutisch in der KDS-Spezialambulanz behandelt worden sind. 50% der Patient*innen brachen die Therapie aus verschiedenen Beweggründen ab. Als Ergebnismaße für die allgemeine Symptombelastung, die depressive Symptomatik und die KDS-Symptomatik wurden der Global Severity Index (GSI) der SCL-90-R, Becks-Depressions-Inventar (BDI-II), der Fragebogen Körperdysmorpher Symptome (FKS) und der Körperdysmorphe Störung Fragebogen (KDS-F) herangezogen. Zu Therapiebeginn (Prä) und zum Therapieabschluss (Post) erfolgten jeweils testpsychologische Erhebungen mit diesen Selbstbeurteilungsinstrumenten.

Der Prä-Post-Vergleich mit n = 13 KDS-Patient*innen, die die Therapie regulär abschlossen, ergab statistisch signifikante Symptomreduktionen mit großen Intragruppen-Effektstärken in allen drei Symptombereichen (siehe Tabelle 1). Darüber hinaus konnten 20 – 50% dieser Personen als remittiert (symptomfrei) zum Therapieabschluss klassifiziert werden. Aufgrund der hohen Therapieabbruchquote wurde zusätzlich ein exploratorischer, deskriptiver Vergleich der Symptomatiken von denjenigen Personen, die die Behandlung bis zum regulären Abschluss mitgemacht haben (n = 13) und Abbrecher*innen (n = 13) zum Therapiebeginn vorgenommen. Hier ergaben sich keine Anhaltspunkte für systematische Unterschiede zwischen den beiden Substichproben.

Erhebungsinstrument N M (SD)
Prä
M (SD)
Post
t df P Prä-Post-ES* 95%-KI
(untere Grenze)
95%-KI
(obere Grenze)
SCL-90-R (GSI) 12 1.07
(0.61)
0.45
(0.55)
6.26 11 <.001*** 1.05 0.72 1.39
BDI-II 11 18.55
(10.78)
6.45
(5.67)
5.67 10 <.001*** 1.44 0.94 1.93
FKS 5 36.20
(7.79)
20.20
(13.10)
2.30 4 .041* 1.48 0.21 2.74
KDS-F 10 137.70
(26.70)
93.70
(21.70)
4.81 9 <.001*** 1.80 1.07 2.54

N = Stichprobengröße. M = Mittelwert. SD = Standardabweichung. KI = Konfidenzintervall.
*Intragruppen-Effektstärke errechnet aus der Differenz der Mittelwerte und standardisiert an der gepoolten Standardabweichung der Stichprobe. *p < .05; **p < .01; ***p < .001 auf einseitigem Niveau.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die in der KDS-Spezialambulanz durchgeführten KVT-Behandlungen im Einzelsetting zu signifikanten Symptomreduktionen im Bereich der allgemeinen Symptombelastung, der depressiven Symptomatik und der KDS-Symptomatik führen können. Dennoch sollte dieses vielversprechende Ergebnis aufgrund der geringen Stichprobengröße mit Vorsicht interpretiert und nicht auf andere Kontexte übertragen werden. Zukünftige Studien zur KVT bei KDS im naturalistischen Setting sind wünschenswert.

Verwendete Literatur:

Grocholewski, A. (n.d.). Körperdysmorphe Störung: Wenn Scham, Befürchtungen und Sorgen bezüglich des eigenen Aussehens den Alltag belasten. Verfügbar unter: https://www.tu-braunschweig.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=95504&token=598c4359b3c55b1073c641772799d935e93cfb29

Harrison, A., La Fernández de Cruz, L., Enander, J., Radua, J. & Mataix-Cols, D. (2016). Cognitive-behavioral therapy for body dysmorphic disorder: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Clinical Psychology Review, 48, 43–51. https://doi.org/10.1016/j.cpr.2016.05.007

Hartmann, A. S., Grocholewski, A. & Buhlmann, U. (2019). Körperdysmorphe Störung (Fortschritte der Psychotherapie, Bd. 72, 1. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.

Kollei, I., Brunhoeber, S., Rauh, E., Zwaan, M. de & Martin, A. (2012). Body image, emotions and thought control strategies in body dysmorphic disorder compared to eating disorders and healthy controls. Journal of Psychosomatic Research, 72(4), 321–327. https://doi.org/10.1016/j.jpsychores.2011.12.002

Rosen, J. C., Reiter, J. & Orosan, P. (1995). Cognitive-behavioral body image therapy for boy dysmorphic disorder. Journal of consulting and clinical psychology, 63(2), 263. https://doi.org/10.1037//0022-006x.63.2.263

Veale, D., Gournay, K., Dryden, W., Boocock, A., Shah, F., Wilson, R. et al. (1996). Body dysmorphic disorder: a cognitive behavioral model and pilot randomized controlled trial. Behaviour Research and Therapy, 34(9), 717–729. https://doi.org/10.1515/9783111671697-002

Wilhelm, S., Phillips, K. A., Didie, E., Buhlmann, U., Greenberg, J. L., Fama, J. M. et al. (2014). Modular cognitive-behavioral therapy for body dysmorphic disorder: a randomized controlled trial. Behavior Therapy, 45(3), 314–327. https://doi.org/10.1016/j.beth.2013.12.007

Wilhelm, S., Phillips, K. A., Fama, J. M., Greenberg, J. L. & Steketee, G. (2011). Modular cognitive-behavioral therapy for body dysmorphic disorder. Behavior Therapy, 42(4), 624–633. https://doi.org/10.1016/j.beth.2011.02.002