Verbitterung während der Corona-Pandemie


Im Zuge der Corona-Pandemie und der Einschränkungen im täglichen Leben durch das Infektionsrisiko-Management („Lockdown“) gab es eine Reihe von vielen kleineren oder größeren Umbrüchen und für viele Menschen auch kritischen Ereignissen. Als Reaktion auf empfundene Ungerechtigkeit oder kritische Lebensereignisse kann sich auch ein Verbitterungsgefühl einstellen. Neben den häufig diskutierten erhöhten Raten allgemeiner psychischer Belastungen während der Pandemie sollten daher auch etwaige Entwicklungen von Verbitterungserleben berücksichtigt werden.

Im Winter 2020/21 haben wir eine Online-Befragung mit Personen aus der Allgemeinbevölkerung durchgeführt, also in der Phase, in der ein zweiter Lockdown mit geschlossenen Geschäften, Restaurants, Kultur- und Aktivitätsstätten stattfand.

3 208 Personen nahmen an der Befragung teil. Sie waren im Durchschnitt 47.5 Jahre alt, 55 % waren weiblich. Die Hälfte der Teilnehmer*innen hatte einen Universitätsabschluss (54.3 %), 39.9 % hatten eine Lehre abgeschlossen und 5.8 % besaßen keinen Berufsabschluss. Die meisten (69.3 %) waren verheiratet oder in einer Beziehung. 29.9 % gaben an, dass sie früher in ihrem Leben einmal wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung waren. Dies scheint der allgemeinen Verteilung psychischer Probleme zu entsprechen, die nach europäischen Studien konstant bei etwa 30 % liegt. 2 % der Teilnehmer*innen hatten zum Untersuchungszeitpunkt eine Coronavirus-Infektion hinter sich. 80% der Teilnehmer*innen gaben an, dass sie während der Pandemie deutliche Belastungen erlebten.

Hohe Verbitterung trat bei 16 % der Befragten auf. Es gab mehr Personen mit Verbitterung aber ohne psychische Erkrankung (9.5 % der Gesamtstichprobe) als solche mit Verbitterung und einer psychischen Erkrankung (6.2 %). 60.9 % hatten keine psychische Erkrankung und keine Verbitterung und 23.4 % hatten eine psychische Erkrankung, aber keine Verbitterung. Menschen mit Verbitterung berichteten über eine höhere Anzahl sozialer und wirtschaftlicher Belastungen (z.B. Arbeitsplatzverlust) während der Corona-Pandemie als Personen ohne Verbitterung.

Das Auftreten von Verbitterung von 16 % während der Pandemie ist eine hohe Rate im Vergleich zu 3 % in Zeiten vor der Pandemie (2019) in derselben Region. Bei der Durchsicht der Literatur finden wir, dass erhöhte Raten von Verbitterung von 15-45 % bei gesamtgesellschaftlichen kritischen Lebensumständen auftreten können.

Verbitterung tritt in der Regel ereignisbezogen auf. Sie kann bei gesunden Menschen durch ungerechte Ereignisse ausgelöst werden und ist von allgemeinen psychischen Erkrankungen abgrenzbar. Letztere, z.B. wiederkehrende jahreszeitliche Depressionen, bestehen unabhängig von Lebensereignissen. Vorübergehende Verbitterung kann in vielen Fällen bei Normalisierung des Alltags wieder abklingen, in einigen Fällen ist Beratung und Unterstützung angebracht.


Quelle: Muschalla, B., Vollborn, C., & Sondhof, A. (2021). Embitterment in the general population after nine months of COVID-19 pandemic. Psychotherapy and Psychosomatics, 90, 215-216.  doi:10.1159/000514621.