Verhaltensanalysen bei Personen mit einer Olfaktorischen Referenzstörung


Welche Situationen lösen bei Personen mit Olfaktorischer Referenzstörung Sorgen aus, einen unangenehmen Geruch zu verbreiten?

Von Januar 2016 bis Dezember 2018 haben wir ein durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördertes Forschungsprojekt zu den Reiz- und Wahrnehmungsgrundlagen der Olfaktorischen Referenzstörung (ORS) durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie haben wir mit dem Institut für Psychologie, Abt. Psychologische Methodenlehre und Biopsychologie und dem Institut für Pharmazeutische Biologie kooperiert.

Bisher ist wenig darüber bekannt, welche Situationen ORS typische Sorgen auslösen und welche Gedanken, Gefühle, Körperreaktionen und Verhaltensweisen in diesen Situationen auftauchen. Dieses Wissen ist aber relevant, wenn man die Betroffenen besser verstehen und ihnen helfen will, an der Störung zu arbeiten. Das Erheben solcher spezifischen Situationen nennt man „Verhaltensanalyse“.

Diese Verhaltensanalysen haben wir in Form von Interviews mit 38 von ORS betroffenen Personen durchgeführt. Wir haben danach gefragt, welche Situationen typischerweise besonders schwierig sind, und wie Betroffene diese erleben und mit ihnen umgehen.

Am häufigsten wurde als auslösender Kontext die „Arbeit“ genannt (32 %), gefolgt von „Kontakt mit anderen Menschen“ (26 %), „Studium“ (16 %), „Freunde/Freizeit“ (12 %) und „romantische Beziehungen“ (12 %).

Geschilderte konkrete Auslöser für die Sorgen sind insbesondere „körperliche Nähe“ (38 %) und die „Wahrnehmung einer körperlichen Veränderung“ (z.B. schwitzen; 49 %).

Als Reaktion auf diese Situationen geben die Betroffenen vor allem Sicherheitsverhalten (z.B. Kleidung wechseln; 58 %), Vermeidung (z.B. Termine absagen; 38 %) oder Rückversicherungen (z.B. Familie oder Freunde um Rat fragen; 5 %) an. Emotional überwiegt Scham/Peinlichkeit (82 %), gefolgt von Ekel (55 %) und Angst (34 %). Auf der Ebene der Gedanken berichten die Teilnehmenden vor allem von einer Befürchtung über das negative Urteil durch andere Personen („Die werden mich bestimmt ekelhaft finden“; 41 %), Selbstabwertungen („Ich bin ekelhaft“; 34 %) und Resignation/Schwarzmalen („Wenn ich so bin, wird mich nie jemand mögen“; 16 %). Als typische Körperreaktionen werden Schwitzen (35 %), Herzklopfen (14 %) und Zittern (11 %) genannt.

Wir können also sagen, dass die Personen mit ORS, die an unserer Untersuchung teilgenommen haben, besonders durch soziale Situationen mit ihren Sorgen konfrontiert werden. Dysfunktionale Gedanken und Verhaltensweisen verstärken die Symptome. Wir möchten dieses Wissen dafür nutzen, die psychotherapeutischen Interventionen noch besser auf die spezifischen Bedürfnisse von Personen mit ORS anpassen zu können (z.B. eine Modifikation der Gedanken und bestimmter Verhaltensweisen).


Quelle: Schmidt, V., Behrens, C., Luckhof, M., Eggert, F., Heinrichs, N., & Grocholewski, A. (2021). Is There a Perceptual Basis to Olfactory Reference Disorder? Journal of Obsessive-Compulsive and Related Disorders, 31, 100692. https://doi.org/10.1016/j.jocrd.2021.100692